Abstrakte Malerei (von lat. abstrahere: abziehen, trennen) oder auch Absolute Malerei (siehe hierzu → Abstrakte Kunst) ist ein Sammelbegriff für verschiedene Strömungen nicht gegenstandsbezogener Malweisen der Klassischen Moderne.

Als Abstrakte Malerei wird ein Ordnen oder Komponieren mit Farben, Kontrasten, Linien und geometrischen Formen ohne absichtliche Abbildung von Gegenständen angesehen.

In der Abstrakten Malerei vollzog sich ein Bruch mit einem der Grundprinzipien abendländischer Malerei. Bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts war der Bezug zu real existierenden Objekten universaler und stilunabhängiger Bezugspunkt künstlerischen Schaffens.

Begriff

Unter dem Begriff der Abstrakten Malerei versteht man die Tendenz, jeden Bezug zur Gegenständlichkeit zu vermeiden und das Gemalte auf Form- und Farbklänge und ihre innerbildlichen Bezüge und Gegensätze zu beschränken.

In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurde der Abstraktions-Begriff in Bezug auf die Bildende Kunst ständig erweitert. Abstrakte Malerei konnte schließlich jede beliebige Form einer vereinfachenden, die Natureindrücke reduzierenden Darstellung bezeichnen.

Die Ursprünge der Abstrakten Malerei um 1910

Der Weg in die reine Abstraktion wird in der Kunstrezension als eine notwendige Entwicklung innerhalb allgemeiner Tendenzen der Klassischen Moderne angesehen. So wird die Abstrakte Malerei als eine Konsequenz des Neoimpressionismus, Fauvismus, Expressionismus und Kubismus aufgefasst.

Die Anfänge rein abstrakter Malerei liegen in der Zeit nach 1910. Zu den maßgeblichen Begründern werden Wassily Kandinsky (1866–1944), Frantisek Kupka (1871–1957), Piet Mondrian (1872–1944) und Robert Delaunay (1885–1941) gezählt. Eines der radikalsten und kontroversesten Werke der Abstrakten Malerei ist das berühmte Schwarze Quadrat von Kasimir Malewitsch, das im Jahr 1915 erstmals ausgestellt wurde.

In der Entstehungszeit der Abstrakten Malerei gab es keine bestimmte Gruppierung von Künstlern, die sich allein dieser neuen Richtung in der Malerei verschrieben hatte. Die nicht gegenstandsbezogen arbeitenden Maler gehörten verschiedenen, mehr oder weniger unabhängig wirkenden Strömungen an.

Die neue malerische Sichtweise verbreitete sich nach 1910 rasch in Europa. Im Jahr 1913 kann man bereits von einer „Mode“ sprechen. Heute ist die Abstrakte Malerei integraler Bestandteil der Kunst der Moderne.

Als im Kontext bedeutsam wird die etwa zeitgleiche Entstehung der atonalen Musik Arnold Schönbergs angesehen.

Abstraktion in der Malerei vor 1910

Bereits im 19. Jahrhundert entstanden Gemälde und Grafiken ohne direkt erkennbaren Bezug zum Gegenstand. Hunderte solcher Bilder finden sich beispielsweise im Werk des englischen Malers William Turner, des französischen Dichters und Zeichners Victor Hugo, sowie des französischen Symbolisten Gustave Moreau.[1] Das Studium der Wirkungen von Linien und Farben im Sinne abstrakt formaler Darstellungsprinzipien wurde vor 1900 fast ausschließlich im Atelier betrieben. Vielen traditionellen Werken lagen abstrakte Vorstudien und Skizzen zugrunde. In diesem Sinn lag „die Errungenschaft der Avantgarde um 1912 nicht in der Erfindung der Abstraktion“, „sondern darin, dass diese zum Kunstwerk erklärt wurde.“ [2] Dass Kandinsky das erste abstrakte Werk im Jahr 1911 geschaffen haben soll, ist weiterhin umstritten. Angeblich soll die schwedische Malerin Hilma af Klint das erste abstrakte Bild 1906 gemalt haben.[3]

Die Hauptvertreter der ersten Bewegungen der Klassischen Moderne, des Fauvismus und des Kubismus, Henri Matisse und Pablo Picasso vollzogen den letzten Schritt zur vollständigen Abstraktion nicht. Sie vertraten den Standpunkt, dass auf diese Weise die Abstraktion nur imitiert werde. Erst Anfang des 20. Jahrhunderts entstand die erste größere Welle rein abstrakt malender Künstler. Es entwickelten sich strenge abstrakte Richtungen wie der Konstruktivismus oder der Suprematismus.

Unterschiedliche abstrakte Tendenzen in der Malerei

Die abstrakte Malerei zerfiel nach ihrer Entstehung rasch in eine Reihe von Stilen. Ihre stilübergreifende Einteilung in eine expressive Abstraktion (Kandinsky) und eine geometrische Abstraktion (Malewitsch, Theo van Doesburg, Piet Mondrian) bzw. in eine lyrische und eine konstruktiv-geometrische Richtung hat wesentlich äußerliche Merkmale im Auge, weniger methodische Unterschiede. Sogar im Surrealismus kamen abstrakte Prinzipien zur Anwendung (vgl. Automatismus). Bekanntester Vertreter des später so benannten abstrakten Expressionismus bzw. des Action Painting wird der Amerikaner Jackson Pollock; bahnbrechend waren hier jedoch andere Maler, so der französische Surrealist André Masson.

„Malerei” von Tieren

Der 1954 geborene Schimpanse Congo malte „abstrakte“ Bilder, von denen einige in einer Kunstausstellung in London präsentiert wurden. Die Bilder wurden von Kunstkennern zu hochrangigen Werken abstrakter Kunst erklärt. Nach Bekanntgabe des Künstlers kam es zu hitzigen Diskussionen über die Kunstwürdigkeit solcher Arbeiten.

Kritik

Abstrakte Malerei erfuhr von Anfang an neben begeisterter Aufnahme und Verteidigung auch polemische und ernsthafte Kritik. Selbst bedeutende Künstler und Kunsthistoriker standen ihr kritisch bis ablehnend gegenüber.

Die Abstrakte Malerei hatte es schwer, vom Publikum, aber auch von der Kunstkritik aufgenommen zu werden. Sie stieß aufgrund ihrer Abweichung vom etablierten Kunstbegriff und durch ihren Verzicht auf die gegenständliche Abbildung beim breiten Publikum auf Missfallen. Es wurde geäußert, dass es sich nicht um Kunst handle und weder künstlerische Begabung noch handwerkliches Können zu Ihrer Erstellung notwendig seien. Die oben erwähnten Beispiele von malenden Schimpansen wurden häufig von Kritikern der Abstrakten Malerei in polemischer Weise angeführt.

In andere Richtung geht die Kritik, Abstrakte Malerei, vornehmlich der Abstrakte Expressionismus, sei im Kalten Krieg funktionalisiert worden.[4] Danach subventionierte die CIA Jackson Pollock und andere Abstrakte Expressionisten im Wege des Congress for Cultural Freedom und in Übereinstimmung mit der Förderungspolitik der Rockefeller Foundation und der Ford Foundation. Während Stalin in seinem unmittelbaren Machtbereich den «sozialistischen Realismus» forcierte, bot sich so nach dem Krieg die Abstrakte Malerei im zerstörten Europa als Demonstration politischer und künstlerischer Fortschrittlichkeit und Freiheit (ohne sozialkritische Botschaft) an.

Literatur

  • Clifford Ross (Ed.): Abstract Expressionism: Creators and Critics: An Anthology. Abrams, Inc., Publishers, New York 1990.
  • Wolbert, Klaus (Hg.): Gutai. Japanische Avantgarde 1954-1965. Mathildenhöhe Darmstadt 24. März bis 5. Mai 1991. Darmstadt 1991. Leja, Michael: Reframing Abstract Expressionism: Subjectivity and Painting in the 1940s. Yale University Press, New Haven, CT 1993.
  • Madlener, Elisabeth (Hg.): Abstrakte Malerei zwischen Analyse und Synthese. Das Buch erscheint als Folgepublikation zur Ausstellung Abstrakte Malerei zwischen Analyse und Synthese vom 24. Januar - 18. März 1992 in der Galerie Nächst St. Stephan Rosemarie Schwarzwälder, Wien sowie zum gleichnamigen Internationalen Kunstgespräch der Galerie Nächst St. Stephan in der Hochschule für Angewandte Kunst, Wien, am 25. Januar 1992. Ritter Verlag, Klagenfurt 1992.
  • Landauer, Susan: The San Francisco School of Abstract Expressionism. With an Introduction by Dore Ashton. Laguna Art Museum, Laguna Beach, CA 1996.
  • Gibson, Ann Eden: Abstract Expressionism. Other Politics. Yale University Press, New Haven / London 1997.
  • Belgin, Tayfun (Hg.): Kunst des Informel: Malerei und Skulptur nach 1952. Wienand Verlag, Köln 1997.
  • Zuschlag, Christoph; Gerke, Hans; Frese, Annette (Hg.): Brennpunkt Informel: Quellen, Strömungen, Reaktionen. Anlässlich der Ausstellung "Brennpunkt Informel" des Kurpfälzischen Museums der Stadt Heidelberg und des Heidelberger Kunstvereins in Zusammenarbeit mit dem Kunsthistorischen Institut der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg. Wienand-Verlag, Köln 1998.
  • Althöfer, Heinz (Hg.): Informel. Der Anfang nach dem Ende. Schriftenreihe des Museums am Ostwall, Bd. 1, Dortmund 1999.
  • Susanne Anna (Hg.): Die Informellen - von Pollock zu Schumacher. Hatje Cantz, Ostfildern 1999.
  • Buergel, Roger M.; Kocklot, Stefanie-Vera (Hg.): Abstrakter Expressionismus: Konstruktionen ästhetischer Erfahrung. Verlag der Kunst, Dresden 2000.
  • Joswig, Petra: Abstrakter Expressionismus: “Nature into Action”. (Diss.) Heidelberg 2001. (pdf-Version)
  • Althöfer, Heinz (Hg.): Informel. Begegnung und Wandel. Schriftenreihe des Museums am Ostwall, Bd. 2, Dortmund 2002. (pdf-Version; 392 kB)
  • Colpitt, Frances (Ed.): Abstract art in the late twentieth century. Cambridge University Press, Cambridge, UK 2002.
  • Althöfer, Heinz (Hg.): Informel. Material und Technik. Schriftenreihe des Museums am Ostwall, Bd. 4, Dortmund 2004.
  • Barbara Hess: Abstrakter Expressionismus. Taschen, Köln 2005.
  • Landau, Ellen G. (Ed.): Reading Abstract Expressionism: Context and Critique. Yale University Press, New Haven 2005.
  • Til, Barbara (Hg.): Zero - Internationale Künstler-Avantgarde der 50er/60er Jahre. Anlässlich der Ausstellung im Museum Kunst-Palast, Düsseldorf , 8. April - 9. Juli 2006; Musée d'Art Moderne, Saint-Etienne 15. September 2006 - 15. Januar 2007. Hg. vom Museum Kunst-Palast. Hatje Cantz Verlag, Ostfildern 2006.
  • Mercer, Kobena (Ed.): Discrepant Abstraction. MIT Press, Cambridge, MA / London 2006.
  • Wedewer, Rolf: Die Malerei des Informel: Weltverlust und Ich-Behauptung. / Deutscher Kunstverlag, München / Berlin 2007.
  • Anfam, David: Abstract Expressionism. Thames and Hudson, New York 2007 (Reprint with revisions).
  • Marter, Joan (Ed.): Abstract Expressionism. The International Context. Rutgers University Press, New Brunswick / New Jersey / London 2007. Humblet, Claudine: The New American Abstraction 1950-1970. (Bd. 1-3), Skira, Milano / Thames & Hudson, London 2007.
  • Wilkin, Karen: Color as field. American Painting 1950-1975. With an essay by Carl Belz. American Federation of Arts in association with Yale University Press, New York / New Haven 2007. (pdf-Version; 607 kB)
  • Baus, Christine: Das Formelle in der informellen Malerei. Eine methodologische Untersuchung zur Malerei des deutschen Informel. Dissertation, Heidelberg 2008. (pdf-Version)
  • Kleeblatt, Norman L. (Ed.): Action Abstraction. Pollock, De Kooning, and American Art, 1940-1976. Yale University Press, New Haven / London 2008.
  • Dietmar Elger: Abstrakte Kunst. Taschen, Köln 2008.
  • Henry, Max: The New Atlantis: Abstract America. Saatchi Gallery. Jonathan Cape, London 2008.
  • Sandler, Irving: Abstract Expressionism and the American Experience: A Reevaluation. Hard Press Editions, Lenox, MA and School of Visual Arts, New York in association with Hudson Hills Press, Manchester, VT / New York 2009.
  • Cheetham, Mark A.: The Rhetoric of Purity. Essentialist Theory and the Advent of Abstract Painting. Cambridge University Press, Cambridge / New York 2009.
  • Nickas, Bob: Painting Abstraction: New elements in Abstract Painting. Phaidon, London 2009.
  • Heymer, Kay; Rennert, Susanne; Wismer, Beat (Hg.): Le grand geste! Informel und abstrakter Expressionismus 1946 - 1964. Anlässlich der Ausstellung im Museum Kunst-Palast, Düsseldorf, 10. April 2010 - 1. August 2010. DuMont, Köln 2010.
  • Heuwinkel, Nicola Carola: Entgrenzte Malerei. Art informel in Deutschland. Dissertation, Kehrer Verlag, Heidelberg / Berlin 2010.

 

Quelle

http://de.wikipedia.org/wiki/Abstrakte_Malerei